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→Freies Eigentum - Gesellschaftskritik in Form einer Softwarelizenz
Mehr noch, die Resultate von Wissenschaft und Technik waren schon lange vor dem Beginn der digitalen Datenverarbeitung Gemeinschaftsprodukte in dem Sinne, dass noch die kleinste neue Entdeckung oder Erfindung auf so zahlreichen anderen Entdeckungen und Erfindungen aufbaute, dass der jeweilige Urheber nur bei einem Bruchteil dieser notwendigen (im-)materiellen Voraussetzungen weiß, wo sie herkommen. Mathematische Erkenntnisse bauen auf anderen mathematischen Erkenntnissen auf, Software basiert auf Ideen anderer Softwarepakete oder gleich ganzen anderen Paketen.2
Um mit Erkenntnissen und Technologie voranzukommen, braucht man also Zugang zu dem, was es schon gibt. Wenn heute immer wieder Eigentumstitel verteidigt und genutzt werden, wenn also der Zugang und die Anwendbarkeit vorhandener Informationen gesetzlich beschränkt wird, dann ist das ein Hindernis für die Entwicklung neuer Ideen. Eigentum erscheint als eine willkürliche Trennung dessen, was doch notwendig aufeinander verwiesen ist: Es ist nicht nur eine Schranke, welche verhindert an bestehende Dinge oder vorhandenes Wissen zu kommen, sondern auch ein Hindernis für die Entdeckung und Entwicklung neuer Sachen.#3
'''Eigentumslosigkeit als Norm'''
Damit entgeht dieser Bewegung aber genau das, was gerade an der Unterwerfung immaterieller Güter unter das Eigentumregime, vorangetrieben durch die Pioniere der proprietären Softwareentwicklung, auffallen könnte: Dass das Eigentum stets ein den Gütern äußerliches soziales Verhältnis ist. Protagonisten von Open Source (oder Bewegungen, die davon inspiriert wurden) unterstellen das Eigentum an solchen physischen Dingen als der Natur der Sache, insbesondere ihrer (angeblichen) natürlichen Knappheit, entsprechend.
Zum Beispiel schreiben die Piraten in ihrem Grundsatzprogramm: ''„Systeme, welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be- oder verhindern („Kopierschutz“, „DRM“, usw.), verknappen künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab. […] Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert.“4“''4
Was digitale Güter angeht, beklagen die Piraten also, dass dort Menschen qua Eigentumstitel „künstlich“ vom Benutzen abgehalten werden, entgegen der „natürlichen“ Eigenschaft von Information kopiert werden zu können. Andererseits können sie dies bei materiellen Dingen so generell nicht feststellen, diese sind nach der Logik des Grundsatzprogramms durchaus von selbst „wirtschaftliche Güter“. Eine Annahme die den Verfassern so selbstverständlich zu sein scheint, dass sie dies nicht explizit erwähnen.
Die aufgemachte Trennung zwischen materiellen und ideellen Dingen im Bezug auf das Eigentum, stimmt aber so nicht.
Eigentum hat den gleichen ausschließenden Charakter, unabhängig davon, ob es um materielle oder immaterielle Güter geht. Das sieht die Open-Source-Bewegung aber ganz anders – und teilt damit eine fatale Fehleinschätzung über den Kapitalismus mit so vielen anderen Menschen.
Nochmal anders formuliert: Der „linke Flügel“ der Open-Source-Bewegung beharrt auf einer strikten Trennung zwischen digitalen und materiellen Gütern, um damit das Eigentumsregime über digitale Güter zu kritisieren. Mit ihrer Argumentation bestätigen und zementieren sie aber gerade, dass Menschen qua Eigentum von den Dingen, die sie brauchen, ausgeschlossen sind. Die Parole „Free Software today, free carrots tomorrow“ eines linken Open-Source-Aktivisten mag nett klingen, mit dem Appell an die „Eigentumskritik“ von Open-Source wird aber eine falsche Vorstellung bestätigt, die „Karotten für alle und zwar umsonst“ verhindert.
'''Open-Source-Lizenzen: Eigentumskritik mit den Mitteln des Rechts?'''
Wenn man Open-Source-Software entwickelt, ist der Zugang zum eigenen Arbeitsprodukt in Form von Recht organisiert. Insbesondere das Urheberrecht gilt ohnehin: Es wird vom Staat für alles gesetzt, was einen ideellen Urheber hat. Aber darüber hinaus legt eine Open Source-Lizenz mit den Mitteln des Rechts fest, was man mit dem Produkt machen darf und was nicht – grundsätzlich nicht anders als an vielen anderen Stellen in der bürgerlichen Gesellschaft üblich, insbesondere in der Industrie. In der Regel darf man den Quellcode lesen, verändern und weiterverbreiten.8 In den genauen Bestimmungen unterscheiden sich die verschiedenen Lizenzen erheblich. Grob lassen sich dabei zwei Varianten von „Offenheit“ unterscheiden. Die bereits erwähnte GPL sagt aus, dass sobald man ein GPL lizenziertes Stück Software in seinem Programm benutzt, das gesamte Programm unter GPL stehen muss. Das heißt, die Lizenz ist „virulent“ und Komponenten stecken sich gegenseitig an. Zum Beispiel kann man nicht einfach den Linux Kernel (also den Kern des Betriebssystems) nehmen, ein paar Veränderungen machen und das Ergebnis ohne Quellcode verbreiten; man muss auch den Quellcode der eigenen Änderungen freigeben.
Wie präsent der Formalismus des Rechts in den Köpfen dieser Leute ist, kann man an der Kontroverse und der Zurückziehung der Devnations-2.0-Lizenz sehen.18 Die Devnations-2.0-Lizenz sah vor, dass Menschen in „Entwicklungsländern“ Produkte kostenlos benutzen dürfen, aber Leute aus den kapitalistischen Zentren nicht. Eine Lizenz, die also die echte materielle Ungleichheit wenigstens zum Thema gemacht hat.19 Sie wurde zurückgezogen, weil sie Bewohner aus Industrienationen diskriminierte, und damit die Gleichheit vor dem Gesetz verletzte. Wenn man der Open-Source Bewegung nachsagen will, sie sei mit einer Eigentumskritik ans Werk gegangen – wenn auch auf immaterielle Güter beschränkt – oder sie habe sich am Ausschluss der Menschen vom digitalen Reichtum dieser Welt gestört, dann hat sie auf jeden Fall das Gegenteil erreicht. Hacken kann man die Rechtsordnung eben nicht – eine vernünftige Kritik sieht anders aus.
'''Software-Allmende für Unternehmensgewinne'''
Der Erfolg der Open-Source-Bewegung beruht auch darauf, dass sie sich bestens mit der ansonsten weiterhin nach allen bekannten Prinzipien der privaten Ausnutzung von Erfindungen gedeihenden IT-Branche verträgt20. Im Folgenden ein paar Beispiele, die verdeutlichen sollen, wie Geschäft und Open-Source zusammen passen, also wie man mit etwas Geld verdient, was man umsonst zur Verfügung stellt.